„THE GLENKEEN VARIATIONS: ARTNATURE/NATUREART“
DIE KÜNSTLER:INNEN DER AUSSTELLUNG
Die Biografien und Arbeiten der Künstler:innen des Artist-in-Residence-Programms in Glenkeen Garden von 2021 bis 2023.
DIE KÜNSTLER:INNEN DER RESIDENCY 1 – HERBST 2021
Markus Huemer
Markus Huemers künstlerische Praxis bewegt sich zwischen traditioneller Malerei und Medien kunst. Im Mittelpunkt seiner Naturbeobachtungen in Glenkeen Garden, die eine umfangreiche Serie von 22 Gemälden inspirierten, steht die Frage, wie Malerei im digitalen Zeitalter fortgeführt werden kann. In Glenkeen Garden erforschte Huemer die verborgene Welt der Kryptogamen – blütenlose Pflanzen wie Flechten und Farne, die zu den ältesten Lebensformen auf unserem Planeten gehören. Mit Hilfe digitaler Werkzeuge, einer reduzierten Farbpalette, kräftigen Linien und der Einbettung von Pflanzenteilen in einen umfangreicheren Kontext berührt Huemer die uralten Beziehungen zwischen diesen Organismen und ihrer Umwelt.
Erste Präsentation der Arbeit im Rahmen der Ausstellung „The Glenkeen Variations: Composing Landscapes“ im Goethe Institut Dublin, 08.05.—08.06.2024.
Tania Rubio
Während ihres Aufenthalts in Glenkeen Garden tauchte Tania Rubio, Klangkünstlerin und Biomusikforscherin, in die subtilen Klanglandschaften des Gartens ein. Sie fing die natürlichen Geräusche von Regentropfen, sanften Wellen, Vogelstimmen, summenden Insekten, entfernten Rindern und rhythmischen Schlägen improvisierter Perkussionsinstrumente ein.
Ihr Stück „The Language of Water“ (2021) schafft einen zweigeteilten Klangteppich, der ihre Erfahrungen mit verschiedenen irischen Landschaften und die wesentliche Rolle des Wassers bei ihrer Gestaltung widerspiegelt. Es lädt die Zuhörenden auf eine Reise durch imaginäre akustische Umgebungen ein.
Die in der Ausstellung präsentierte elektroakustische Version enthält Field Recordings aus Glenkeen Garden sowie Aufnahmen von einem selbstgebauten Instrument. Die zweite Version für Streich-, Blechbläser- und Schlagzeugensemble mit Elektronik ist von den vielfältigen Wasserläufen inspiriert und ruft Klanglandschaften, Farben und Texturen hervor.
Erste Präsentation der Arbeit im Rahmen der Ausstellung „The Glenkeen Variations: Composing Landscapes“ im Goethe Institut Dublin, 08.05.—08.06.2024.
DIE KÜNSTLER:INNEN DER RESIDENCY 2 – FRÜHLING 2022
Moritz Fehr
In seiner eindrucksvollen Videoarbeit befasst sich der Künstler, Forscher und Komponist Moritz Fehr mit dem sogenannten Pflanzenstress – ein Begriff aus dem wissenschaftlichen Diskurs, der ungünstige Bedingungen oder den Einfluss von Substanzen bezeichnet, die den Stoffwechsel und das Wachstum von Pflanzen stören. Denn Gegenpart ist in diesem Fall die übermäßige UV-Strahlung, ein weit verbreiteter Faktor der Umweltverschmutzung. Ausschließlich im ultravioletten Lichtspektrum gefilmt, zeigt Fehrs Arbeit den Akt des Auftragens von Sonnenschutzmitteln mit LSF 50 auf verschiedene Pflanzen. Dadurch entsteht ein eigenartiger, schwarz schimmernder Schutzschild gegen die unerbittliche Wirkung der UV-Strahlen auf die Flora, der auch den Effekt hat, das Bild selbst langsam verschwinden zu lassen. Diese Begegnung erzählt nuanciert von den Auswirkungen des menschlichen Einflusses auf die natürliche Welt.
Erste Präsentation der Arbeit im Rahmen der Ausstellung „The Glenkeen Variations: Disquieting Frequencies“ im Goethe Institut Dublin, 07.03.—06.04.2024.
Carolin Liebl & Nikolas Schmid-Pfähler
Wie verendet Plastik? Tief in den Komposthaufen von Glenkeen Garden betrieben Carolin Liebl und Nikolas Schmid-Pfähler Pionierarbeit bei der künstlerischen Erforschung der Kunststoffalterung. Inmitten von natürlich erhitzten Pflanzenabfällen untersuchten sie die biologische Abbaubarkeit spezifischer Kunststoffe in dem Bestreben, die erforschten Transformationen visuell darzustellen. Durch das Erstellen einer Art indexikalischer Fotografie von Zersetzungsprozessen, bilden Liebl und Schmid-Pfähler Prozesse von Mikronarrativen ab; Landkarten, die die verborgenen und doch lebendigen Welten von Zerfall und Fäulnis ebenso offenbaren wie die Diskrepanz zwischen ökologischem Versprechen und tatsächlichem Verfall.
Weitere Präsentation der Arbeit vom 08.11.—07.12.2024 im Rahmen der Ausstellung „The Glenkeen Variations: With or Without You“ im Goethe Institut Dublin.
Marcus Maeder
Marcus Maeder arbeitet als Künstler, Forscher und Komponist elektronischer Musik. Sein umfangreiches Projekt „Imeall an Chosta“ (Irisch für: Küstenlinie), das er in den letzten zwei Jahren in Glenkeen entwickelt hat, untersucht die Auswirkungen des Klimawandels in der Roaringwater Bay und konzentriert sich dabei auf die Artenvielfalt in der aquatischen und terrestrischen Umwelt. Mit Hilfe akustischer Methoden platzierte Maeder automatische Audiorekorder und Sensoren in den Übergangsbereichen zwischen Wasser und Land, um die lokale Geräuschkulisse in der Luft, unter Wasser und im Boden zu erfassen. Die Aufnahmen geben Aufschluss über die zeitliche und räumliche Dynamik der Artenvielfalt und des sich abschwächenden Golfstroms (Atlantic Meridional Overturning Circulation). Durch die Kombination von wissenschaftlicher und künstlerischer Forschung bietet „Imeall an Chosta“ neue Einblicke in den ökologischen Wandel an der irischen Küste.
Erste Präsentation der Arbeit im Rahmen der Ausstellung „The Glenkeen Variations: Disquieting Frequencies“ im Goethe Institut Dublin, 07.03.—06.04.2024.
DIE KÜNSTLER:INNEN DER RESIDENCY 3 – HERBST 2022
Christina Chiranagnostaki & Konstanza Kapsali
Die in Athen lebenden Künstlerinnen Christiana Chiranagnostaki und Konstanza Kapsali fühlten sich während ihres Aufenthalts in West Cork von den scheinbar urtümlichen Trockenstein-Strukturen inspiriert, welche die Landschaft durchziehen. Ausgehend von der traditionellen Betrachtung dieser Strukturen als bloße Begrenzungen, entdeckten die Künstlerinnen eine komplexe Beziehung zwischen den Mauern und ihrer Umgebung, die von den Begriffen Verkörperung, Schutz und Parzellierung gekennzeichnet ist. In Anlehnung an die anthropomorphe Sprache, die von Steinmetzen verwendet wird, etwa indem sie die Wände in weiblicher Form als „sie“ bezeichnen, erforschen die Künstlerinnen die vielfältigen Rollen dieser Strukturen, durch zwei sich ergänzende Videoarbeiten, die aus Material bestehen, das während zahlreicher Reisen durch das Land gemeinsam gefilmt wurde. Von der Schaffung von Lebensraum für verschiedene Arten bis hin zur Verschmelzung von menschlicher Arbeit und natürlichen Elementen präsentieren die Künstlerinnen vielfältige Erzählungen von gegenseitiger Verbundenheit, von Widerstandsfähigkeit, Handwerkskunst und Eigentumsverhältnissen.
Erste Präsentation der Arbeit im Rahmen der Ausstellung „The Glenkeen Variations: Composing Landscapes“ im Goethe Institut Dublin, 08.05.—08.06.2024.
Filippa Pettersson & Kristin Reiman
Da sich die Kunststoffressourcen seit den frühen 36.000er Jahren p. o. Z. (postorganischer Zeit) dem Ende zuneigen, beginnt für die Termiten und ihre Allianz mit den Kakerlaken eine neue Ära. Das Königliche Museum für Termitologie zeigt eine Ausstellung, in der die neuesten Entdeckungen in den Bereichen „Bohrscanning, Exkrodruck und Men-schen-Forschung“ vor gestellt werden und die ihre bemerkenswerte Reise zur Wiederbelebung der Produktion synthetischer Polymere und zur Wiedergewinnung ihrer Lebensgrundlage beleuchtet.
Während ihres dreimonatigen Aufenthalts in Glenkeen Garden stellten sich Filippa Pettersson und Kristin Reiman eine post-menschliche Welt vor, in der Termiten lernen, Kunststoffe zu essen und zu verarbeiten. Da es sich um eine nicht erneuerbare Ressource handelt, stellt der schwindende Vorrat an Kunststoffen die größte Sorge für die Termitenzivilisation dar.
Weitere Präsentation der Arbeit vom 08.11.—07.12.2024 im Rahmen der Ausstellung „The Glenkeen Variations: With or Without You“ im Goethe Institut Dublin.
Jan Wagner
„Notes from the Bay of Roaring Water“ (Notizen von der Bucht des Brüllenden Wassers) wurde von Jan Wagner nach seinem Aufenthalt in Glenkeen Garden geschrieben und entwickelte sich bei Spaziergängen in der Umgebung. Der Autor, der schon immer eine Vorliebe für Limericks hatte, fühlte sich auf seiner Reise durch Irland besonders dazu verleitet, diese selbst zu verfassen. Erinnerungen an die ausgedehnte Reise wurden in den Text einge woben und vermitteln ein breiteres Panorama von Irland, mit Fokus auf die Roaringwater Bay.
DIE KÜNSTLER:INNEN DER RESIDENCY 4 – FRÜHLING 2023
Yulia Carolin Kothe, Max Brück & Katerina Sidorova
Während ihres Aufenthalts in Irland erforschten die Künstler:innen Yulia Carolin Kothe, Katerina Sidorova und Max Brück unterschiedliche soziopolitische, mythologische und ökologische Aspekte des sumpfigen Moorgebiets „Wild Lands“ unweit von Glenkeen Garden. Vor Ort sammelten sie persönliche, historische wie mythische Geschichten über das Moor. In diesem Zusammenhang untersuchten sie den Herstellungsprozess sogenannter „Bog Butter“ — Moorbutter, die durch einen Fermentationsprozess entsteht, der durch das Versenken von Keramik- und Holzgefäßen in der sumpfigen Landschaft ausgelöst wird. Basierend auf ihrer Forschung, kreierten Kothe, Sidorova und Brück skulpturale Objekte, die den traditionellen „Bog Butter“-Gefäßen nachempfunden wurden. Eingelassen in einer installativen (Moor-)Landschaft, ertönen die Aufnahmen der Erzählungen aus den gefäßartigen Skulpturen. Die verschiedenen Schichten, die im Moorland selbst sowie in dem Mensch-Moor-Verhältnis angelegt sind, übertragen die Künstler:innen in eine mehrstimmige, multimediale Struktur mit offenen Pfaden, die zur eigenen Erkundung einlädt.
STRWÜÜ — Jo Wanneng & Lukas Fütterer
Mit ihren speziesübergreifenden Organismen bricht das Künstler:innenduo STRWÜÜ mit den vermeintlich geradlinigen Grenzen zwischen lebendigen und leblosen Subjekten und bringt damit die dualistische Vorstellungen von Natur und Kultur, Mensch und Technik ins Wanken. Der Protagonist ihrer neuesten Arbeit ist ein Findling aus Glenkeen Garden. Als einer von zahlreichen Felsbrocken prägte und strukturierte er die irische Landschaft. Im Zuge der menschlichen Aneignung und Kultivierung des Bodens wurden Steine dieser Art an Feldrändern zu ab- und eingrenzenden Mauern getürmt. Seit Jahrhunderten markieren sie ebenfalls privatisiertes Land oder Nationalstaaten — Grenzarchitekturen, die ähnlich wie Biomembranen funktionieren. Beides sind semipermeable Filter, die nur bestimmten Substanzen oder Subjekten Einlass gewähren. Heute bedarf es komplexerer Systeme: Satelliten, die den allumfassenden Blick von ganz oben erlauben. Die robotischen Arme spüren diese jedoch auf und versteinern in dem Moment, in dem sie selbst sichtbar werden. Sie verweigern die Beobachtung. Sobald die robotischen Arme wieder außerhalb des Satellitenblickfeldes sind, führen sie das Kratzen auf der Oberfläche des Findlings fort.
DIE KÜNSTLER:INNEN DER RESIDENCY 5 – HERBST 2023
Doireann O’Malley & Elisa T. Bertuzzo
Doireann O‘Malleys Arbeit kombiniert filmische Bilder, ethnografische Aufnahmen und Community Engagement in West Cork, in der Gegend um Glenkeen und auf der Insel Clare zu einer komplexen Reflexion über das heutige ländliche Irland. Der mehrteilige Film verbindet reale und spekulative Gespräche mit verschiedenen Akteuren – Tieren, Aktivist:innen, Dichter:innen, Landwirt:innen und Mitgliedern des O‘Malley-Clans, darunter O‘Malleys jüngeres Ich, ihre Großmutter sowie eine Vorfahrin, die „Piratenkönigin“ Grainne Mhaol. Die durch Drohnenaufnahmen und filmische Beobachtungen eingefangene irische Landschaft fungiert als Portal zu vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Erfahrungen und offenbart verdrängte odermverlorene Geschichten.
Eine biografische und biopolitische Ebene thematisiert die Komplexit.t des „Nach-Hause-Kommens“ und das Gefühl, in seinem Körper, seiner Familie oder seinem Land nicht „zu Hause“ zu sein. O‘Malley kritisiert die Vereinfachung der trans*-Identität und die westliche Trennung von Körper und Selbst und verweist darauf, dass wahre Zugehörigkeit die Erforschung fließender, gesellschaftlich geprägter Geschlechtsidentiäten beinhaltet.
Lorenzo Rebediani, Vera Scaccabarozzi, Luca Trevisani & Francesca Verga
Die Arbeit von Francesca Verga, Vera Saccabarozzi, Luca Trevisani und Lorenzo Rebediani geht auf ihre Erkundungen in Glenkeen Garden zurück, wo sie die Zone untersuchten, an der Meeres- und Land.kosysteme aufeinandertreffen. Dieser Übergangsbereich, der als Ökoton bekannt ist, existiert in einer ganz eigenen zeitlichen und räumlichen Realität, die die herkömmlichen Vorstellungen von Raum und Zeit übersteigt und messbare Entfernungen und Intervalle auslöscht. In West Cork ist dieser Raum durch einen glatten, feuchten Algenteppich gekennzeichnet, der zum Mittelpunkt ihrer Arbeit wurde. Die Künstler:innen sammelten, trockneten und fotografierten die Algen und druckten sie auf große Stoffstücke. Die Algen und andere Ökoton-Bewohner:innen wurden in einer ironischen und kontra-intuitiven Geste, die westliche wissenschaftliche Paradigmen in Frage stellt, wie Exemplare in einem Herbarium plattgedrückt.
Partner:innen
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Frankfurt | University College Cork, Environmental Research Institute, Cork | The Glucksman, Cork | Working Artists Studios, Ballydehob | Goethe-Institut Irland, Dublin