Zwischen der tiefen Zeit des Moores und dem unaufhörlichen Atmen der Küste entfaltet sich „Transitional Terrains“ als eine Erkundung von Orten, die durch ihre räumlich-zeitlichen Rhythmen geprägt sind. Im Moor sammelt sich die Zeit – Jahrhunderte voller Sedimente, Erinnerungen und Mythen, halb verschluckt vom Torf und widerstandsfähig gegen Verfall. Im Gegensatz dazu formt sich die Küstenzone der Roaringwater Bay ständig neu, wobei die Gezeiten eine fließende Grenze ziehen und wieder auslöschen, die niemals von Dauer ist. In einer Zeit, in der dominante Narrative die Nuancen marginaler Räume ausblenden, rückt „Transitional Terrains“ das Geschichtenerzählen als eine Form der stillen Wiederverzauberung in den Vordergrund. Die Konturen eines Moores oder einer Küstenlinie nachzuzeichnen bedeutet anzuerkennen, dass alle Terrains – materielle wie psychische – von den Geschichten geprägt sind, die sich entlang oder in ihnen entfalten.
Für Max Brück, Yulia Carolin Kothe und Katerina Sidorova ist das Moor sowohl Aufbewahrungsort als auch Kooperationspartner – ein Ort, an dem sich über Jahrhunderte hinweg organische und kulturelle Überreste abgelagert haben. Diese Arbeit markiert die Rückkehr der gesammelten Elemente: Moorgeräusche, aufgezeichnete Stimmen, Tongefäße und organische Fragmente in die irische Landschaft, in der sie ursprünglich gefunden wurden. Ursprünglich im Rahmen eines kollaborativen künstlerischen Prozesses mitgenommen, kehren diese Materialien nun zurück, nicht als gewonnene Ressourcen, sondern als Träger von Geschichten. Inspiriert von Ursula K. Le Guins „Carrier Bag Theory of Fiction“ betrachtet das Projekt das Moor nicht als passiven Schauplatz, sondern als einen generativen Behälter: ein Gefäß für Erinnerungen, sinnliches Wissen und Beziehungen. Die Besucher:innen sind eingeladen, sich in dieser temporären Landschaft aufzuhalten, die aus einer unheimlichen Verschmelzung von hergestellten Objekten, Verpackungsmaterialien, aufgezeichneten Klängen, nachklingenden Erinnerungen und dem weichen Boden besteht.
Die gemeinsame künstlerische Praxis von Lorenzo Rebediani, Vera Scaccabarozzi, Luca Trevisani und Francesca Verga stützt sich auf die fragile Zwischenwelt der Küste – eine Grenzzone, die zwischen salziger Versenkung und windiger Exposition oszilliert. „Abécédaire of Fringes“, eine Installation und ein Buch mit dem gleichen Titel, entstanden aus ihrer gemeinsamen Neugier für diese Randwelt und umfassen die vorläufige Natur dieser Gezeitengeschichten. Dieser Ökoton (ein Übergangsbereich zwischen zwei Ökosystemen) in der Roaringwater Bay ist geprägt von einem Teppich aus verschiedenen Algen und Kuriositäten, die zum Schwerpunkt ihrer Arbeit wurden. Die Künstler:innen sammelten, trockneten, fotografierten und druckten die Algen auf große Stoffstücke. Dort sind sie zusammen mit anderen Bewohner:innen des Ökotons wie Exemplare in einem Herbarium flachgedrückt, in einer ironischen und kontraintuitiven Geste, die westliche wissenschaftliche Paradigmen in Frage stellt. Algen spielen auch im Buch „Abécédaire of Fringes“ eine zentrale Rolle, da sie in der Erzählung immer wieder vorkommen. Durch die Verkörperung des komplexen Netzwerks von Verbindungen, das die Randgebiete prägt, inspiriert dieser kryptogamische Organismus „Abécédaire of Fringes“ zu einem Experiment im Bereich des liminalen materiellen Schreibens – einem Prozess, in dem die unerwarteten Wechselbeziehungen der Elemente, die die Randgebiete bewohnen, gemeinsam nachgezeichnet und nicht analysiert werden.