W. Michael Satke
Michael Satke, geb. 1943 in Wien, studierte Jus, Mode und Wirtschaft in Wien und in London.
Er arbeitete in leitenden Funktionen von 1967 bis 1980 in Werbung und Wirtschaft.
Er war Begründer der „Neuen Gastronomie“ in Wien mit 3 Bars und einem Live-Musik-Lokal. Er war Weinmacher, Buchmacher, Magazinmitbegründer und Großeventgestalter.
Er erhielt wichtige Auszeichnungen für seine Arbeit.
Er hat zusammen mit Ulrike Crespo Glenkeen Garden gestaltet.
Man hat ein großes Grundstück und plötzlich überkommt es einen, etwas daraus zu machen. So ein Garten passiert einem. Natürlich fängt man erst einmal rund um das Haus an, die Natur etwas zu kultivieren und von der Wildnis abzugrenzen. Das ist rasch getan. Man pflanzt Blumen, setzt Rosen, alles, was dekorativ ist. Man baut eine romantische Welt rund um das Haus auf. Aber dann kommt der Moment, da bemerkt man die riesigen Wiesen, die großen Flächen, das ganze Areal rundum.
Man erkennt, dass man immer nur einen einzigen Weg hinunter zum Meer geht, den Rest des Grundstücks aber nicht benutzt. Das war der Moment, in dem ich zu überlegen und nach Wegen zu suchen begann, über die man das Areal erobern konnte. Was liegt näher, als den Spuren der Tiere zu folgen, jenen der Füchse und Dachse beispielsweise? Warum laufen die bestimmte Pfade entlang? Diese Spurensuche führte zu einem ersten gedanklichen Wegesystem. Daraus folgte ein grober Strukturplan mit der Idee, den Garten in „Bühnen" einzuteilen, um überall Punkte zu schaffen, die einen veranlassen, dorthin zu gehen.
Was ist ein Garten? Die Kultivierung der Natur ist für mich problematisch. Die Natur gewinnt ohnehin immer. Sei es in zehn oder in fünfzig Jahren. Irgendwann schlägt sie zurück. Deshalb war für mich von Beginn an die Idee wichtig, die Hälfte des Gartens wild und ursprünglich zu belassen und diese wilden Teile nur durch gepflegte Wege zu erschließen (wild gardening). Der Garten durfte auch keinesfalls exotisch sein, der musste sich in die gewachsene irische Landschaft einfügen. Er durfte keinesfalls auffallen, extravagant ins Auge stechen. Das war eine wichtige Leitlinie: endemische Pflanzen zu verwenden, in Irland heimische Gewächse wuchern zu lassen.
Es gab zwar einen groben Plan, diesen wollten wir Stück für Stück umsetzen. Wir wollten das Land gemeinsam im laufe der Zeit erobern. Dieser Prozess lief über fünf Jahre, und dadurch ergab eines das andere. Die Zeit, die wir uns gegeben haben, hatte den Vorteil, dass stets getestet werden konnte, ob die Ideen, die wir hatten, auch die richtigen waren. Das meiste hat gepasst, doch manches war auch falsch, und diese Fehler konnten wir korrigieren. Wenn man die Möglichkeit hat, sich für eine Gartenplanung Zeit zu nehmen, sollte man das unbedingt tun. Geschwindigkeit ist nicht unbedingt eine Tugend im Garten. Pläne zeichnen ist zwar nicht schlecht, doch man ist erfolgreicher, wenn man durch Ruhe Fehler vermeiden kann. Der Nachteil: Die Zeit läuft einem davon.
Wir wollten zum Beispiel unbedingt einen ummauerten Garten, einen „walled garden" haben. Doch bei genauerer Studie der Topografie haben wir entdeckt, dass das völlig überflüssig gewesen wäre, denn auf dem Grundstück gibt es bereits natürliche Gebiete, die ohnehin gut geschützt sind. Andere Möglichkeiten haben sich wunderbarerweise erst durch Zufälle aufgetan, wie zum Beispiel die Anlage des großen Teichs. Wir wollten an dieser Stelle eigentlich Bäume pflanzen, haben die Gruben ausgehoben, und am nächsten Tag waren die mit Grundwasser gefüllt. Wir haben weitergegraben und herausgefunden, dass die gesamte Fläche unter Wasser stand, weil in ein paar Metern Tiefe eine dichte Lehmschicht das Wasser auf natürliche Weise aufstaut. Daraufhin haben wir in logischer Konsequenz dort den Teich angelegt.
Man lernt schauen. Am Anfang sieht man das alles nicht. Ulli und ich, wir haben immer gesagt, wir machen's allein. Ohne Gartenarchitekten, ohne Designer, ohne Fremdplanung. Dadurch haben wir natürlich alle Fehler der Welt gemacht, aber durch die Fehler haben wir ganz schnell gelernt, was man alles nicht machen darf. Du lernst sehr genau zu schauen, du schaust auf den Boden, du entwickelst ein Gefühl für den Ort, für die Pflanzen, für Farben und zusammenhänge, du gehst nach dem Regen hinaus und siehst, wo das Wasser steht, wo es versickert. Du siehst plötzlich, was du zuvor nie gesehen hast.
Du siehst auch, was überhaupt wächst, wie eine Wiese aussieht, wie sie sich über die Jahre verändert. Wir haben die Wiesen über 20 Jahre nicht gedüngt, dadurch kommen viele Wildpflanzen wieder. Diese Wiesen werden nur noch einmal jährlich gemäht, damit sie sich in ihrer Pflanzenvielfalt entwickeln können. Man lernt mit der Beobachtung auch Behutsamkeit. Der Garten erzieht den Menschen.
Auch die Pflanzen selbst respektieren einander oder bekämpfen einander. Auch das muss man lernen – welche Pflanzen man zusammensetzen kann, damit die eine die andere nicht überwuchert, vernichtet.
Aber es gab eine große Ausnahme. Eine großartige. Der Gartendesigner Piet Oudolf. Wir wollten eine irische Gräserwiese. Dafür gibt es nur einen. Piet. Seine jahrzehntelange Erfahrung, seine Gartenästhetik, sein Eingehen auf unsere Wünsche, seine holländische Fröhlichkeit führten zu einer freundschaftlichen Beziehung und zu einer aufregenden Gräserwiese.
Ich nenne die Maßnahmen, die wir in diesem Garten gesetzt haben, "Bühnen".
Ich inszeniere genau definierte Flächen mit Themen: Wasser: Teiche. Neue Sicht: Versunkener Pfad. Geräusch: Bambusgarten. Duft: ,,Flower cows". Oder: Wir haben einen Pier in das Meer hinaus gebaut, und was man dem Meer wegnimmt, das gibt man ihm in Form eines ausgegrabenen Kanals, der in das Landesinnere führt, zurück. Der mündet in einen Brackwasserteich. Bei Flut vermischen sich dort Salz- und Süßwasser. Rundum stehen ausschließlich Weiden und Cornus. Noch ein Beispiel: Wenn man vom Haus auf das Meer schaut, haben die Bäume, die davor stehen, eine ähnliche Farbe wie das Wasser: silbrige, helle Pappeln, die die flirrende Bewegung des Meeres aufnehmen. Richtung Landesinneren wiederum herrschen stärkere, herbstliche Farben.
Eine der wichtigsten Entscheidungen, eine, die wir eigentlich viel zu spät getroffen haben, war die der eigenen Nahrungsmittelversorgung. Das Glashaus, der Küchengarten, das kam ganz spät, und wir sind noch mitten im Lernprozess. Aber auch das muss man alles selbst erfahren und lernen. Das Glashaus war der letzte Bau im Garten.
Eigentlich ist der Garten fertig. Wir sind hauptsächlich damit beschäftigt auszuschneiden, auszulichten, zu erhalten. Doch eines fehlt noch. Wir haben den Garten noch nicht richtig möbliert. Da ist noch viel zu tun, man kann spielerisch Plätze schaffen, Sitzgelegenheiten, anderes. Ein Garten ist niemals wirklich fertig. Und das ist gut so.
(Quelle: Ireland Glenkeen Garden, Hirmer Verlag, 2014)