Ulrike Crespo
Ulrike Crespo, geb. 1950 in Darmstadt, studierte nach einer Ausbildung zur Hotelfachfrau Französisch, Kunstgeschichte und Archäologie in der Schweiz. 1982 zog sie nach Frankfurt und unterrichtete dort Deutsch für Ausländer. 1985 bis 1990 studierte sie Psychologie an der Johann Wolfgang GoetheUniversität in Frankfurt. Danach arbeitete sie als Psychologin in ihrer eigenen Praxis und gründete schließlich die Crespo Foundation.
Seit 1989 fotografierte Ulrike Crespo mit Schwerpunkt auf Landschaften, Pflanzen und Blüten. Es erschienen mehrere Bücher. Sie wurde für den Deutschen Fotobuchpreis nominiert.
Ich war zum ersten Mal als junge Frau in Irland. In den 1970er Jahren mit meinen Großeltern. Ich erinnere mich, dass es mir damals schon gut gefallen hat. Dann, als ich mit 40 Jahren mein Diplom als Psychologin machte, wollte ich nach dieser langen Anstrengung an einen Ort, an dem ich in Ruhe sitzen und auf das Meer schauen konnte - und da fiel mir Irland wieder ein.
Ich fuhr damals vom Norden die Westküste hinunter. In West Cork gefiel es mir am besten. Es war ein Jahrhundertsommer, schöner ging's überhaupt nicht. Drei Tage bevor ich wieder zurückfuhr, kaufte ich spontan und mit Handschlag dieses Grundstück. Als ich im Herbst zurückkam, hat es geregnet und geregnet, und ich dachte mir: Wie konntest du nur aus so einer spontanen Eingebung heraus so ein Grundstück kaufen? Ich habe dann, wie man das so macht, zwei Nächte darüber geschlafen, und ich habe die Entscheidung für diesen Ort seither nicht einen Tag bereut. Das ist jetzt immerhin 22 Jahre her.
Meine Großeltern hatten immer einen Garten. Und da ich viel bei meinen Großeltern war, kann ich sagen, dass ich in Gärten aufgewachsen bin. Das hat mich ganz sicher geprägt.
Das Grundstück, das ich in Irland so spontan gekauft hatte, war groß und lag am Meer. Es standen Kühe drauf und ein kleiner Esel. Es war mit Brombeeren, Nesseln und Ginster überwuchert und es gab keine einzige wirklich kultivierte Stelle. Doch es war an sich und insgesamt schön - eine wilde Landschaft. Was mich insbesondere einnahm, war ein wunderschönes Plätzchen, an dem 20 alte Ulmen wuchsen, und dort, so stellte ich mir vor, könnte das Haus stehen. Es war eine romantische Idee: einen Platz zu haben, der sich vom Leben in der Stadt abhebt, einen Platz für mich, einen meditativen Ort des Naturlebens.
Erst kam das Haus. Dann erfolgte die Eroberung des Landes Stück für Stück. Anfangs ging es nur darum, rund um das Haus so etwas wie eine kultivierte, blühende Zone mit einigen schönen Pflanzen anzulegen. Rhododendren und Hortensien beispielsweise, vor allem aber Rosen. Denn ich liebe Rosen. Schon als Kind mochte ich sie, wenn auf Sylt die dort allgegenwärtige Rosa Rugosa blühte, die Dünen überwucherte und alles mit ihrem sehr eindringlichen Duft überwehte. Diese Rose und ihr Duft waren etwas aus meiner Kindheit, das ich hinüberretten wollte nach Irland. Diese Rose gab es damals hier noch nicht, also bestellte ich sie in großem Umfang, pflanzte sie rund um das Haus und die Wege entlang bis zum Meer. Und sie wachsen auch bis heute da.
Ab dann habe ich zwei Jahre nur noch Rosenbücher gewälzt. Ich konnte gar nicht mehr aufhören. Rosen wurden wie eine Sucht. Ich habe mindestens 50 Rosensorten gepflanzt. Manche gingen gut, andere nicht. Manche waren eine Enttäuschung, weil sie den Regen nicht vertrugen. Traurig. In manchen Sommern aber geht alles. Manche Rosen sind wunderbar und besonders widerstandsfähig, wie etwa Sharifa Asma. Blassrosa, gefüllt, duftend. Die gedeiht auch in feuchten Sommern sehr gut. Wir haben sie fast überall gepflanzt. Wunderbar.
Erst war gar kein Plan dahinter. Es war nur das Gefühl da, schöne Pflanzen haben zu wollen. Es ging darum, was im Gartenzentrum zur Verfügung stand. Dann gab es zuhause die vielen Bücher, etwa die der Royal Horticultural Society. Darin konnte man nachlesen, was die Pflanze, die man eben gekauft hatte, braucht, wo sie stehen will. Es war reines Bauchgefühl. Meistens hat es gut funktioniert. Wir haben anfangs höchstens zu dicht gesetzt, doch bei so einem großen Platz fängt man nichts mit drei, fünf Pflanzen an. Da braucht man fünfzig. Gärtner gab es auch nur wenige. Die meisten hier waren englische Aussteiger, die gerne alles machten, Häuser streichen, Rasen mähen. Wir sind zusammen in diesem Garten gewachsen. Wir haben gemeinsam gelernt.
Mit Michael hat sich's verändert. Ab 1996. Er hat Struktur in den Garten gebracht, die große Dimension. Er hat Pläne entworfen. Er hat überlegt, wo man Teiche und „Stages", wie er sie nennt, anlegen könnte. Ich habe mich auf Wege und Treppen konzentriert und habe die alten, völlig überwucherten Bauernwege hinunter zum Meer freigelegt. Dann kamen Brücken. Plötzlich wurden nicht fünfzig Pflanzen gekauft, sondern 500 und dann 5000. So entstanden Birkenwäldchen, Ahornwäldchen, Pappelalleen und Windschutzwälder.
Alles gedeiht hier. In Irland hat man das Gefühl, man steckt irgendetwas in den Boden - und schon wächst es. Doch das stetige Pflanzen und neu Setzen ist jetzt abgeschlossen. Es gibt keinen Platz mehr. Es geht nun um das Erhalten, da und dort um das Ersetzen, im Grunde genommen ist der Garten aber fertig. Ja, er ist ein Lebenswerk. Es ist eigentlich gar nicht das, was ich mir von Irland erhofft hatte, ein Rückzugsort. Stattdessen habe ich etwas ganz anderes, viel mehr bekommen. Ein Stück wunderbare Natur, eine kleine Landwirtschaft mit Katzen und Hunden, mit einem Küchengarten und einem Glashaus, mit eigenem Gemüse, eigenem Obst und Kräutern. Das macht Spaß.
Michael ist dafür, dass der Garten möbliert wird, dass es Stühle, Bänke und Tische gibt, an denen man sitzen, verweilen, schauen kann. Das sieht auch sehr schön aus, wird aber meistens von unseren Gästen genutzt. Denn wir selbst gehen mit Gartenscheren und Baumsägen „bewaffnet" herum. Ich überlege etwa, ob ich am Meer Unkraut zupfen soll, bleibe aber meistens bereits auf dem Weg dorthin an einer anderen Stelle mit einer anderen Beschäftigung hängen. Viel zu selten sitze ich ruhig mit einem Buch im Garten und lese.
Ich gehöre zu den Menschen, die gerne Unkraut zupfen. Das ist, als ob man etwas freilegte. Ich bin auch Therapeutin, und das ist letztlich ein verwandtes Gebiet. Auch dort legt man frei, um zu der Essenz, um zum Wirklichen zu kommen. Das ist sehr befriedigend, und es ist meditativ. Man kann dabei an nichts anderes denken, man ist auf den Ort, auf die Pflanze konzentriert. Wenn es so etwas gibt wie glückhaftes Empfinden, dann gibt es das in der Natur und im Garten. Dort kommt man zu sich selbst. So einfach ist das.
Ein Garten ist jeden Tag verändert, wie das Leben. Was heute da ist, ist morgen anders oder bereits wieder verschwunden. Dafür kommt das nächste. Selbst innerhalb weniger Momente verändern sich die Stimmungen. Das hat auch mit uns zu tun. Das eine ist vergangen, an anderer Stelle fängt etwas Neues an.
(Quelle: Ireland Glenkeen Garden, Hirmer Verlag, 2014)